WLTP-Reichweite & WLTC: Bedeutung für E-Autos erklärt

Ihr seid auf der Suche nach einem E-Auto, egal ob bei uns zur Miete oder ob ihr einen Kaufwunsch habt, und stolpert bei einem europäischen oder japanischen Modell über die sogenannte WLTP-Reichweite. Freilich ist die Verwirrung anfangs groß. Was hinter der Abkürzung steckt und warum ihr der Information nicht ganz trauen solltet, das lest ihr hier.

Als Autovermietung ist uns wichtig, vollkommen transparent mit euch zu sein. Dazu gehört auch die genaue Reichweite unserer E-Autos, die ihr bei uns mieten könnt. Damit ihr die angegebene Zahl etwas besser einordnen könnt, geben wir euch einen Überblick.

WLTC & WLTP bei Elektroautos: Bedeutung hinter der Abkürzung

Die Abkürzung steht für „Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure“. Auf gut Deutsch heißt das nur, dass es ein weltweit harmonisiertes Testverfahren für leichte Fahrzeuge ist – der Name verrät also schonmal herzlich wenig und ist sogar etwas irreführend.

WLTP nämlich nicht mal wirklich weltweit verwendet: eigentlich nur in Europa und Japan. Sowohl China als auch die USA haben ihre eigenen Prozesse entwickelt, die auf die individuellen Bedürfnisse und Lebensrealitäten der Menschen im Land zugeschnitten sind: CLTC und EPA.

Wen die Lösung interessiert, für die sich China entschieden hat, und warum die CLTC in Zukunft immer wichtiger werden könnte, der schaut besser gleich in unseren Beitrag zum Thema: CLTC oder WLTP: „Wie weit kommen chinesische Automarken?".

Der Prüfzyklus selbst, der zum WLTP-Wert führt, wird übrigens WLTC genannt, ausgeschrieben „Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycle“. Nicht wirklich einfallsreich, aber zweckdienlich. Das Verfahren wird eingesetzt, um eine ungefähre Antwort auf die Frage zu geben, wie weit die Batterie eines E-Autos wirklich reicht.

Ist die WLTP-Reichweite realistisch?

Traut man sich, das einen Motorsport-Journalisten zu fragen, wird der schimpfen wie ein Rohrspatz. Idealistisch sei das und utopisch noch dazu: Kaum ein Auto erreicht tatsächlich den angegebenen Wert. Dennoch muss man eine Lanze für die WLTP-Reichweite brechen; immerhin ist das Verfahren um Meilen besser als das, was davor war.

Der WLTP wurde nach dem VW-Abgasskandal 2015 von der EU eingeführt, um den Verbrauch von Fahrzeugen akkurater abzubilden. Abgelöst wurde dadurch der “Neue Europäische Fahr-Zyklus” (NEFZ), im englischen oft mit NEDC abgekürzt. Das war seit den 90ern im Einsatz, allerdings mit eher bescheidenen Resultaten.

So funktioniert die WLTC: WLTP-Test auf der Autobahn?

Ermittelt wird die WLTP-Reichweite, indem aus dem Kaltstart ein fest definierter Fahrzyklus bestehend aus Autobahn-, Landstraßen-, Vorstadt- und Stadtverkehr durchlaufen wird – auf einem Rollenprüfstand im Labor. Insgesamt gibt es also vier Geschwindigkeitszonen: bis 60, dann 80, dann 100 und abschließend 130 km/h. Um Ampeln oder Abbiegen in eine Vorfahrtsstraße zu simulieren sind 13 Prozent der Testdauer Standzeit.

Daraus wird anschließend der Durchschnitt gezogen und schon habt ihr einen ungefähren Richtwert

Stärken des WLTP-Werts: Vergleich zum NEFZ

Mit der Einführung der WLTP-Reichweite wurde das veraltete NEFZ abgelöst, da die damit ermittelten Angaben bezüglich Reichweite oder Verbrauch nur in den seltensten Fällen der Realität entsprachen. Um das Problem zu beheben wurden folgende Faktoren angepasst:

  • Die Dauer des Tests wurde verlängert. Statt 20 Minuten muss das Fahrzeug nun 30 Minuten über sich ergehen lassen. Damit steigt auch die zurückgelegte Distanz von 11 auf über 23 Kilometer.
  • Die Höchstgeschwindigkeit wurde auf die deutschlandweite Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h angehoben, beim NEFZ lag diese noch bei 120 km/h. Insgesamt wurde die Durchschnittsgeschwindigkeit auf 46,5 km/h und die Standzeit angehoben.
  • Die Umgebungstemperatur muss bei WLTP auf genau 23 Grad Celsius liegen – in Europa auch bei der Durchschnittstemperatur von 14 Grad Celsius. Beim NEFZ war lediglich vorgegeben, dass diese irgendwo zwischen 2o und 30 Grad liegen muss – das kann bei E-Autos einen massiven Unterschied machen.
  • Ein wahres Novum ist, dass das Gewicht – das verändert sich beispielsweise schon, wenn man Sonderausstattungen im Auto hat – und die Aerodynamik des Fahrzeugs in Betracht gezogen wird.
  • Auch dass bei WLTP die Motor-Getriebe-Kombination berücksichtigt wird, ist neu. Davor wurde nicht auf fahrzeugspezifische Schaltpunkte eingegangen.

Unter genannten idealen Bedingungen kommt man also tatsächlich an das WLTP-Ergebnis ran, vom Ergebnis des NEFZ war man selbst dann teils noch immer buchstäblich meilenweit entfernt.

Industriestandard mit Schwächen

Verwendet ihr das Auto allerdings ganz normal, kommt ihr in den seltensten Fällen an die WLTP-Reichweite heran. Diese Erfahrungen mussten wir leider auch im Mietgeschäft machen. Die folgenden Faktoren beeinflussen die Reichweite eures E-Autos zwar negativ, wurden aber in der WLTP nicht ausreichend beachtet:

  • Bei besonders niedriger Außentemperatur hilft das Vorwärmen des Wagens und eine verhaltene Fahrweise.
  • Je nach Beladung, also Passagieren und Gepäck, kommt ihr mal weiter, mal schafft ihr es nicht ohne Laden zum Ziel.
  • Die richtig Fahrweise entscheidet. Fahrt ihr defensiv und verzichtet auf aggressive Beschleunigung, dann bringt euch das tatsächlich weiter.
  • Fahrt ihr länger mit Gegenwind, wird sich das auf eure Reichweite ausweiten – je aerodynamischer euer Wagen, desto weniger ist das ein Faktor.
  • Macht euch vor einem Roadtrip Gedanken über Höhenunterschiede auf der Strecke. Fahrt ihr einen Großteil eurer Reiseroute bergauf, dann wird sich auch das bemerkbar machen.

Fahrt ihr bei sehr kaltem Wetter sportlich, ohne den Wagen zuvor auf Betriebstemperatur zu bringen und heizt dazu die Fahrerkabine ordentlich aus, kommt ihr eventuell nur halb so weit wie unter besten Bedingungen. Im Winter könnt ihr direkt davon ausgehen, dass 30 bis 40 Prozent der Reichweite verloren geht.

Warum brauchen wir WLTP?

Jetzt stellt ihr euch vermutlich die Frage, warum wir die WLTP-Reichweite überhaupt brauchen. Die Frage ist berechtigt, der Wert kann schließlich kaum erreicht werden – ein großes Manko, über das sich Journalisten, Blogger und Kunden regelmäßig beschweren.

Dabei wird aber gerne vergessen, was uns der WLTP überhaupt bringt: In der ganzen Europäischen Union wurde es Herstellern erschwert, Verbrauch- und Reichweite-Angaben zu beschönigen und Käufer dabei hinters Licht zur führen – ein absoluter Win für Autofahrer (Quelle: ADAC).

Da das Verfahren nicht nur für E-Autos, sondern auch bei Verbrennern (bei denen zusätzlich auch noch der Ausstoß gemessen wird) verwendet werden kann, bietet der WLTP immer einen beständigen Richtwert, an dem ihr euch bei der Fahrt orientieren könnt. Sicherheitshalber solltet ihr aber damit rechnen, dass ihr knapp 20 Prozent weniger erreicht.

Behaltet das im Kopf und ihr kommt bei jedem Roadtrip an. Wer jetzt Lust bekommen hat, schaut bestenfalls direkt auf unserer Website vorbei und mietet sich ein Elektroauto – oder doch lieber einen Sportwagen, wenn die Reichweiten-Angst zu groß ist.

CarVia Magazin

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