Tesla & Autonomes Fahren: Full Self Driving? Der aktuelle Stand
Der amerikanische Konzern Tesla unter der Leitung von Elon Musk sieht sich gern als Vorreiter beim Autonomen Fahren. Doch welchen Anteil reines Marketing spielt und wie viel technisches Genie hinter der Fassade steckt, das ist nicht ganz offensichtlich. Wir bringen euch auf den aktuellen Stand zu Tesla und der sogenannten „Full Self Driving”-Software.
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Inhaltsverzeichnis:
- Elon Musk & Autonomes Fahren: Beinahe-Crash in Autopilot-Demo
- Autopilot & Full Self Driving: Was leisten die Assistenzsysteme von Tesla?
- Teslas Full Self Driving: zwischen Marketing und Hohn
- Unfälle mit Full Self Driving: War Tesla verantwortungslos oder unbeteiligt?
- Tesla in der Krise: Unser Fazit zu Autopilot & FSD
Elon Musk & Autonomes Fahren: Beinahe-Crash in Autopilot-Demo
Eigentlich war es das Ziel, die Kapazitäten des 12. Updates der Tesla eigenen FSD-Software (Full Self Driving) zu demonstrieren. Für den Live-Stream Ende August 2023 auf der Plattform X (ehemals Twitter) gab sich sogar Tesla-Chef Elon Musk höchstpersönlich die Ehre … und musste prompt einen Unfall verhindern, den das System provoziert hatte (Zeitstempel: 19:48).
Musk wartete im Tesla an einer Kreuzung, an der unterschiedliche Ampeln – einmal für Linksabbieger und einmal für Geradeaus-Fahrer – zu sehen waren. Das Licht der linken (falschen) Ampel wurde grün und das Auto fuhr dennoch geradewegs in die Kreuzung hinein. Nur durch Eingreifen des Milliardärs konnte ein unschöner Ausgang der Testfahrt verhindert werden.
Kurz zuvor erklärte Musk noch dem gigantischen Publikum, dass der Wagen an Ampeln und Schildern sicherer agieren würde als jeder Mensch. Blöd gelaufen, denn schlussendlich bewies der 52-Jährige nur, dass das System noch nicht serienreif ist und vielleicht doch etwas an den Gerichtsverfahren dran ist, die gerade wie ein Damoklesschwert über ihm hängen.
Dennoch kündigte Musk am 8. April 2024 Robotaxis schon am 8. August an. Die Frage, ob er damit das laufende Jahr meine, ließ er noch unbeantwortet. Wie die aktuellen Probleme bis dahin ausgebügelt werden sollen, das weiß wahrscheinlich nur der Tesla-Chef.
Autopilot & Full Self Driving: Was leisten die Assistenzsysteme von Tesla?
Gleich vorneweg: Nix ist mit selbst fahrenden Autos, trotz Namen der Software. Das Programm liegt bestenfalls auf SAE-Level 2+. Fahrer sind damit komplett selbst verantwortlich, auch für alle Blech- oder Personenschäden, die unter ihrer Aufsicht geschehen.
Einen kleinen Refresher hierzu bieten wir euch in unserem Blog-Beitrag zu den 5 Stufen des Autonomen Fahrens.
Tesla bietet Käufern drei Optionen an, die teils auch nach dem Kauf noch per Update aktiviert werden können. Die notwendige Technik ist bereits verbaut: Acht Kameras und eine Bildverarbeitungs-Software reichen laut Hersteller dafür.
- Der Autopilot von Tesla ist bereits serienmäßig verbaut und bietet eine Reihe von Assistenzsystemen, ein Abstandsgeschwindigkeitsregler sowie ein Lenk-Assistent sollten hier betont werden.
- Der „Enhanced Autopilot” bietet einen Spurwechsel-Assistenten und einen erweiterten Spurwechsel-Assistenten in der Beta-Version, der auf Autobahnen von Auffahrt bis Ausfahrt helfen soll. Dann gibt es noch das Autoparken, sowie das Herbeirufen und Smarte Herbeirufen. Per App soll man das Auto damit aus besonders engen Parklücken holen können, bei letzterem findet einen das Auto laut Herstellerangaben von alleine, solange man sich im Erfassungsbereich befindet.
- „Volles Potenzial für autonomes Fahren": Neben eben genannten Funktionen gehört hierzu der Verkehrs- und Schildstopp-Assistent in der Beta-Version und in Zukunft auch der City-Lenkassistent. Damit erkennt der Wagen von alleine rote Ampeln und Stoppschilder und hält selbstständig. Tesla betont auf der (deutschen) Website, dass die Features das Auto nicht autonom machen und man selbst immer Hände am Lenkrad und Augen auf die Straße gerichtet haben sollte.
- Das Feature in der Kritik: Full Self Driving ist in Deutschland noch nicht verfügbar. Seit September 2022 wird eine vollständige Version der Software in den USA und Canada vertrieben – dass das System dennoch gravierende Lücken hat, bewies Elon Musk im Live-Stream höchstpersönlich.
Der „Enhanced Autopilot" soll zumindest in den USA und Kanada zurückgeschraubt werden, um FSD – jetzt mit dem Zusatz “(Supervised)" versehen – für Kunden schmackhafter zu machen. Hinzu kommt, dass man den Preis etwas heruntersetzen möchte. Für Kunden, die zuvor den „Enhanced Autopiloten" gekauft hatten, soll das Upgrade auf FSD jetzt nur noch 2.000 US-Dollar kosten. Ein echter Schnapper also.
Teslas Full Self Driving: zwischen Marketing und Hohn
Tesla hat Dreck am Stecken. Auf zahlreiche, teils tödliche Unfälle folgende Klagen seitens der Hinterbliebenen werden aktuell vor Gericht ausgetragen. Musk konnte jüngst einen Sieg davontragen, aber der Druck auf ihn ist groß. Das größte Problem liegt in der Selbstvermarktung der Technologie, bei der die Wahrheit zu Teilen etwas großzügig interpretiert wird.
Die Marketing-Maschine von Tesla: gelinde gesagt grenzwertig
Bei einem Titel wie „Full Self Driving” trügt der Schein also gewaltig – aber er verkauft sich. Immerhin will Tesla noch immer rund 12.000 US-Dollar für „vollständige" Version von FSD. Im September 2022 lag der Preis sogar noch bei 15.000 US-Dollar. Alternativ zur Einmalzahlung könnte man ihn abonnieren, 100 Dollar pro Monat werden dann fällig. Heruntergeladen werden kann das per Over-the-Air-Update. Bisher ist FSD per se nur in den USA verfügbar – in Deutschland gibt es bisher nur die Funktion „Volles Potenzial für Autonomes Fahren".
Auf der Website behauptet die Firma selbstbewusst, dass “jeder Tesla […] standardmäßig über modernste Hardware [verfüge], um die Autopilot-Funktionalität schon heute und vollkommen autonomes Fahren in der Zukunft zu ermöglichen.” Naja, das stimmt so nicht ganz, denn Tesla setzt ausschließlich auf Kameras und Künstliche Intelligenz – auf Lidar- und Radarsensoren wurde seit 2021 verzichtet. Auch, wenn die engste Konkurrenz wie Mercedes und BMW damit entscheidende Fortschritte macht und Tesla davonzieht. Den Fehler sah auch Musk ein und gelobte Besserung.
Zur Veranschaulichung des Problems ein Beispielfall: Auf die Fahrbahn geworfene Schatten wurden vom System falsch interpretiert – ohne erkennbaren Grund werfen Tesla-Fahrzeuge auf dem Highway den Anker aus dem Fenster. Die Folge ist bestenfalls ein Auffahrunfall, schlimmstenfalls eine Massenkarambolage, wie von Usern auf der Plattform X dokumentiert. Radarsensoren hätten eine Phantombremsung verhindern können.
I obtained surveillance footage of the self-driving Tesla that abruptly stopped on the Bay Bridge, resulting in an eight-vehicle crash that injured 9 people including a 2 yr old child just hours after Musk announced the self-driving feature.
Full story: https://t.co/LaEvX9TzxW pic.twitter.com/i75jSh2UpN
— Ken Klippenstein (@kenklippenstein) January 10, 2023
Das Argument vieler Hinterbliebenen lautet also: Tesla mache falsche Versprechungen, auf die sich die Fahrer verlassen würden – bis zum bitteren Ende. Stand Juni 2023 war der Tesla-Autopilot seit dem Jahr 2019 in insgesamt 736 Unfälle involviert. Das traurige Ergebnis sind 17 Tote, für die sich Tesla nicht verantworten will. Für die Hinterbliebenen grenzt das verständlicherweise an blanken Hohn.
Musk vor Gericht: Tesla unter Druck
Dass die Vereinigten Staaten in die Privatsache von Unternehmen eingreifen, ist zwar selten, aber in diesem Fall höchst willkommen. Indem sich der Hersteller versuchte, sich aus der Affäre zu ziehen, zog er stattdessen die Aufmerksamkeit der Behörde NHTSA auf sich, der National Highway Traffic Safety Administration aus Washington. Nach einer eindringlichen Prüfung musste der Autobauer im Dezember 2023 alle auf amerikanischen Straßen fahrenden Wagen wegen Sicherheitsbedenken zurückrufen – das waren zwei Millionen Fahrzeuge.
Enttäuschend ist für Geschädigte dabei nur das Fazit der Verkehrsbehörde: Das eigentliche Problem ist nicht das System selbst. Das tat (größtenteils), was es tun sollte – die Erwartungen der Fahrer, wenngleich vom Marketing-Team geschürt, seien der Knackpunkt.
Der Argumentation folgend konnte Tesla im Oktober 2023 auch ein Gericht in Riverside, USA, überzeugen. Der Unfall, der dem Fall zugrunde lag, fand bereits vier Jahre zuvor statt. In Kalifornien verstarb ein Fahrer, nachdem der Tesla von der Straße abgekommen war und in einen Baum gekracht war. Die zwei Überlebenden des Unfalls, die Frau und das Kind des Opfers, hatten einen Fehler im System vermutet. Die Klage wurde zwar abgewiesen, doch Zweifel bleiben bestehen. Auf laufende Verfahren dürfte das Urteil begrenzt Auswirkungen haben.
Unfälle mit Full Self Driving: verantwortungslos oder unbeteiligt?
Im November 2023 urteilte ein Gericht nämlich ganz anders. In Florida attestierte ein Richter Tesla vorsätzliches Fehlverhalten und grobe Fahrlässigkeit: Der Hersteller inklusive Elon Musk habe von den Unzulänglichkeiten des Systems gewusst und dennoch Kunden erlaubt, die Fahrzeuge auf unsichere Weise zu bedienen.
Wer wusste Bescheid?
Hintergrund war ein Unfall mit Todesfolge aus dem Jahr 2019, bei dem ein Model 3 unter den Anhänger eines LKW fuhr. Das Urteil der Richterin sei signifikant, da es alarmierende Inkonsistenzen zwischen Teslas Marketing und den internen Informationen suggeriere – so die Meinung eines Jura-Professors der University of South Carolina.
Im Laufe der Verhandlungen zitierte die Anwaltschaft auch ein Werbe-Video von Tesla aus dem Jahre 2016, bei dem ein Auto ohne menschliches Eingreifen fährt und an dessen Ende ein Haftungsausschluss erklärt, dass die Person auf dem Fahrersitz nur aus rechtlichen Gründen dort ist. Damals hieß es, das Auto fahre von selbst. Es würden wertvolle Informationen fehlen, die erklären würden, dass diese Technologie noch nicht existiere und das Video lediglich zukunftsweisend zu interpretieren sei, so der Richter.
Das Ende vom Lied
Die Probleme sollen nun per (Hardware-)Update behoben werden – Radar und Lidar kommen wieder in den Tesla. Bei Model S und X werden mittlerweile wieder enstprechende Sensoren verbaut. Kunden, die auf das FSD-System geupgradet haben, schauen indes in die Röhre: Die Nachrüstung mit der nötigen Hardware ergäbe finanziell und technisch keinen Sinn. Enttäuschte Kunden zu beschwichtigen sei bösen Zungen zufolge aber auch gar nicht in Teslas Sinne.
Viel wichtiger sei die Sammlung von Informationen, um die KI weiter zu füttern. Dass Musk dabei ein großes Risiko seitens der User eingeht, scheint dem Tech-Mogul egal zu sein. Dass das viel mit einer persönlichen Philosophie zu tun hat und quasi nicht unabsichtlich passiert, das kritisierte auch das Handelsblatt im Zusammenhang mit ihrer Recherche rund um die Tesla-Files und das Autonome Fahren: Musk sein ein Anhänger des Longtermism. Der Denkschule zufolge sollte jeder Mensch seine Entscheidungen immer im Hinblick auf die ferne Zukunft treffen (Quelle: Handelsblatt). Interpretiert man diese Denkweise auf eine extreme Art und Weise, käme man zu folgender Überlegung: Wie viel ist schon ein Menschenleben wert, wenn in Zukunft 1.000 gerettet würden?
Tesla in der Krise: Unser Fazit zu Autopilot & FSD
Als Autovermietung sind wir natürlich zwiegespalten: Wir haben schließlich selbst Modelle von Tesla im Carsharing. Die Fahrzeuge sind wirklich gut, Tesla hat unglaublich viel zum Erfolg des E-Autos beigetragen und die Präsenz des Unternehmens motiviert andere Autobauer seit Jahren zu Höchstleistungen. In vielerlei Hinsicht erlaubt Tesla keinen Stillstand mehr bei den Herstellern: keiner kann sich mehr auf seinen Lorbeeren längst vergangener Tage ausruhen.
Doch bei aller Liebe: Kein Wunder, dass BMW und Mercedes beim Autonomen Fahren davonziehen. Neben fehlender oder viel zu später Einsicht, experimenteller Software, die als fertiges Produkt gefeiert wird, und Unfällen, die anscheinend bereitwillig in Kauf genommen werden, kommt zu allem Überfluss noch dazu, dass man den Ingenieuren selbst nicht mal wirklich einen Vorwurf machen kann.
Leider liegt vieles an Elon Musk, beziehungsweise dem unheimlichen Ehrgeiz, der ihn immer wieder dazu verleitet, Deadlines für Zukunftstechnologien viel zu früh anzusetzen. Beobachten lässt sich das nicht nur beim Autonomen Fahren, sondern auch Robotern, Künstlicher Intelligenz und dem Marsprojekt.
Mit der richtigen Erwartungshaltung wären die Produkte sogar richtig gut. Würden sie nicht himmelhoch gepriesen werden, wäre man wahrscheinlich gar nicht so enttäuscht. Dass Tesla nicht die sichersten Autos der Welt verkauft, bestätigte ein lange unter Verschluss gehaltenes Gutachten schon 2016 – das veröffentlichte „Frag den Staat” allerdings erst 2022. Das Model S verstoße demnach sowohl gegen §30 Absatz 1 Satz 1 und §19 Absatz 2 Satz 2 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO).
Uns kann das aber egal sein, denn das Modell führen wir ohnehin nicht: weder in der Vermietung noch im Share. Bei uns findet ihr ausschließlich das Model Y und das Model 3 Performance, selbstredend ohne Enhanced Autopilot und Full Self Driving. Solltet ihr die tatsächlichen, vielen Vorteile der E-Autos ausprobieren wollen, könnt ihr auf unserer Website Teslas mieten.