Autonomes Fahren bei Audi: Error 404 bei VW-Tochter

Die deutschen Autobauer Mercedes und BMW schicken sich an, weltweit die Führung bei selbst fahrenden Autos zu übernehmen. Da drängt sich doch die Frage auf, wie weit das Autonome Fahren bei Audi ist. Die Antwort ist enttäuschend, doch die Story dahinter ist spannend: Audi befindet sich – wie der ganze VW-Konzern – seit Jahren in einer Selbstfindungsphase. Doch wann kommt da mehr?

Audi steht im Umbruch: Sowohl der TT, als auch der R8 werden nicht mehr gebaut – der Fokus liegt auf batterieelektrischen Lösungen. Wollt ihr die Motoren der Sportler mit den vier Ringen noch einmal aufheulen lassen, schaut gleich auf unsere Website. Dort könnt ihr verschiedene Modelle von Audi mieten.

Audi träumt von SAE-Stufe 4: ohne Realist Oliver Blume

Unter dem ehemaligen VW-Chef Herbert Diess wollte Audi hoch hinaus. Aus heutiger Sicht baute der Ex-CEO doch eher Luftschlösser: Schon 2024 sollte ein hochautomatisiertes Fahrzeug auf Level 4 mit vier Ringen auf der Motorhaube zum Verkauf stehen. Große Ziele waren das, doch mit der Ablösung durch Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume verabschiedeten sich die Ingolstädter von diesen Träumen.

Nicht einmal drei Monate war er im Amt, da sägte der ehemalige Porsche-Vorsitzende das Prestige-Projekt mit Decknamen Artemis ab. Allein in der Namensgebung des Unternehmens – Artemis ist die griechische Göttin der Jagd –  sahen Medien damals ein Zugeständnis, dass man den bei hochautomatisierten Fahrzeugen führenden Herstellern hinterher jage. 

Die GmbH sollte „eine Einheit für das beschleunigte Entwickeln zusätzlicher Auto-Modelle” sein. Ziel wäre es gewesen, ein erstes, hocheffizientes und -automatisiertes Elektroauto zu schaffen. Die Deadline fiel zunächst aufs Jahr 2024, dann aber doch 2027 und seit Blumes Entscheidung 2022 ist ohnehin klar: Die Göttin der Jagd holt im Rennen ums Autonome Fahren Vorreiter Mercedes und BMW nicht mehr ein. Beerdigt wurde das Projekt wegen der Software-Probleme, die VW plagen. Doch nicht alles wurde über Bord geworfen.

Braucht ihr einen kleinen Refresher zu den Leveln des Autonomen Fahrens? In einem separaten Blog-Beitrag helfen wir euch weiter.

Cariad: Error 404 – Software not found

Die VW-Tochter Cariad hätte den Code für VW E3 2.0 liefern sollen. Damit wäre Angaben zufolge Autonomes Fahren der Stufe 4 möglich gewesen. Doch die Entwicklung stockte immer wieder, verschlang Unmengen an finanziellen Ressourcen und vor allem Zeit. Die Folge der Verzögerungen war, dass beispielsweise die E-Modelle Audi Q6 e-tron und der Porsche Macan electric ganze 2 Jahre zu spät auf den Markt kamen.

Weil die Softwarearchitektur für das Gesamt-Update 2.0 nun erst bis Ende des Jahrzehnts fertig werden soll, wurde umdisponiert. Herbert Diess musste das Zepter abgeben, die bisherige Strategie wurde gestrichen und neu gedacht.

Stattdessen steht das IT-Unternehmen nun vor der Aufgabe, die (heute schon) veralteten Software-Architekturen 1.1 und 1.2 zu aktualisieren und bis zum Update 2.0 wettbewerbsfähig zu halten. Dafür wurde insgesamt eine Milliarde Euro investiert – es ist den Wolfsburgern also bierernst.

Audi zeigt sich nachhaltig: Neuer A8 aus Artemis-Schnipseln

Immerhin wurden nicht alle Blaupausen von Artemis in den Papiermüll geschreddert: Die Modelle „Landjet” und „Landyacht” sollen noch immer erscheinen, auch wenn die Verantwortung für die Entwicklung nun beim Konzern selbst liegt. Der „Landjet" soll dabei in technisch abgespeckter Version der Nachfolger des A8 werden.

Ursprünglich war für beide Modelle Autonomes Fahren auf Level 4 geplant und sogar im Fokus gestanden. Das Thema ist mittlerweile aber vom Tisch – zumindest beim neuen A8. Wie auch Artemis erging es Trinity, dem Prestige-Projekt von VW: keine Software, kein SAE-Level 4. Der Elektro-SUV war für 2028 geplant. Es ist also ein konzernübergreifendes Problem, mit dem sich VW konfrontiert sieht.

Autonomes Fahren bei Audi: Keine Marke Eigenbau mehr

Während Ex-Boss Diess verstärkt eigene Software-Lösungen entwickeln wollte, hatte er damit aber auch wertvolle Zeit verloren. Die Lösung von Blume bedeutet ein strategisches Umdenken: auch, wenn in Hinsicht auf In-House-Produktionen. Die soll es nämlich nicht mehr in dem Maße geben. Stattdessen holt man sich Hilfe von außen.

Und Cariad? Software-Powerhouse mit Asthma

Die massiven Probleme führten zum Austausch der Cariad-Spitze 2022 – ob das tatsächlich zu Verbesserungen führte, das wagen wir zu bezweifeln. Immerhin musste die neue Chefetage bereits Mai 2023 schon wieder ausziehen. Zur Erinnerung: Das Unternehmen gibt es erst seit 2020. Eine neue Führung unter CEO Peter Bosch soll es nun richten. Im Dezember 2023 wurde einer Forderung des Konzerns zugestimmt, die internen Entwicklungskosten bis 2028 um ganze 20 Prozent zu senken.

Bosch stellte einen Rettungsplan vor, mit drei zentralen Thesen:

- 2.000 der insgesamt 6.500 Stellen sollen gestrichen werden, besonders das Management soll ausgedünnt werden. Das soll schon 2024 beginnen.
- Ungefähr die Hälfte der Unternehmensbeteiligungen soll abgetreten werden. Damit soll eine Restrukturierung vereinfacht und das Unternehmen effizienter werden.
- Mit weiteren Verspätungen ist zu rechnen.

Auf der eigenen Website wird vom „in-house powerhouse” in Sachen Software geschwärmt und doch sind die Techniker 2 Jahre im Verzug. Das Unternehmen blutet Geld und Bosch sieht in der Amputation eine Lösung – auch, wenn jede helfende Hand gebraucht sein sollte, um E3 noch bis 2030 fertig zu bekommen.

Mobileye: Fahrassistenz made in Israel

Oliver Blume setzt stattdessen lieber mehr auf Zusammenarbeit mit anderen Innovationsträgern. Beim Autonomen Fahren ist eben dieser das isrealische Software-Unternehmen Mobileye, mit dem VW bereits seit 2016 an Assistenzsystemen arbeitet. 

Mobileye steht dem Abteilung Volkswagen Nutzfahrzeuge besonders bei der Entwicklung eines komplett autonom fahrenden ID.Buzz zur Seite. Davon fährt bereits eine ganze Flotte durch Tel Aviv, Israel. 2026 soll der Elektro-Bulli selbst fahren können und in Hamburg als Robotaxi zum Einsatz kommen.

Level 2+ soll die Mobileye-Plattform mit Namen „SuperVision" gewährleisten und so bald wie möglich für die Premium-Marken des Konzerns zur Verfügung stehen. Dazu gehören Audi, Lamborghini, Porsche und Bentley. Auch bei Level 3 soll die in Jerusalem angesiedelte Firma unter die Arme greifen. Wann das System mit dem passenden Namen „Chauffer" in die VW-Marken verbaut wird, ist allerdings noch nicht klar. 

Nur an die Software-Architektur E3 2.0 lässt Blume Mobileye nicht ran – hier bleibt die Verantwortung komplett bei Cariad. Um hier schnell weiterzukommen konnte die VW-Spitze bestehende Kooperationen mit Bosch, Horizon Robotics und Qualcomm vertiefen.

Assistenzsysteme bei Audi: Der aktuelle Stand

Bei Audi entwickelt also vorerst keiner selbst fahrende Autos. Trotzdem profitiert Audi von der Zusammenarbeit: Mobileye soll weitere Fahrassistenzsysteme für VW-Marken entwickeln. Modelle von Audi, Lamborghini, Bentley und Porsche sollen in Zukunft selbstständig an Ampeln halten und zumindest auf der Autobahn automatisch überholen können. Wann genau das dann der Fall sein soll, das hat die VW-Spitze um Blume noch nicht kommuniziert.

Bis dahin steht Audi aber nicht blank da. Im Geschäftsbericht des Unternehmens aus dem Jahr 2023 wird von rund 40 Fahrassistenzsystemen gesprochen, die im Q8 e-tron verbaut sind. Besonders erwähnenswerte Systeme erklären wir euch kurz:

  • Der Adaptive Fahrassistent (AFA) klingt am ehesten nach SAE-Level 2 und ist im gesamten Geschwindigkeitsbereich aktiv. AFA umfasst dabei die Funktionen des adaptiven Geschwindigkeits-Assistenten (ACC, adaptive cruise control), den Stau-Assistenten sowie des Spurführungsassistenten (Audi active lane assist). Mit Radar-, Lidar-, Ultraschall-Sensoren und Kamera erkennt der Wagen die Fahrbahnmarkierungen, Randbebauungen, Fahrzeuge auf Nebenspuren und vorausfahrende Fahrzeuge.
  • Der Notfall-Assistent aktiviert sich, sollte der Fahrer für längere Zeit nicht mehr ansprechbar sein. In dem Fall wird das Warnblinklicht eingeschaltet und das Fahrzeug sicher und automatisch zum Stillstand gebracht. Je nach Land wird außerdem ein Notruf abgesetzt.
  • Audi pre sense: Unterteilt werden hier vier Kollisionswarner, von denen die meisten (rear, basic und side) nur Sicherheitsmaßnahmen einleiten, um die Passagiere zu schützen und den nachfolgenden Verkehr zu warnen. Pre sense front kann zudem die Bremskraftunterstützung aktivieren, um bei Bedarf sogar eine Notbremsung durchzuführen.
  • Der Ausweich-Assistent unterstützt den Fahrer zwischen 30 und 150 km/h beim Umfahren von Hindernissen. Dabei müsst ihr allerdings durchgehend aktiv lenken. Reagiert ihr auf den anfänglichen Warnruck am Lenkrad, hilft euch der Assistent mit leichter Korrektur eures Lenkimpulses.
  • Neben dem Parkassistenten bieten manche Audi-Modelle sogar einen (remote) Park- bzw. Garagenpilot. Findet ihr keinen Parkplatz, könnt ihr das Fahrzeug auf Knopfdruck mit euch suchen lassen. Befindet ihr euch nur noch maximal 6 Meter von einer geeigneten Parklücke entfernt, könnt ihr schon mal aussteigen und das Auto per App parken lassen. Wollt ihr wieder losfahren, rollt der Wagen per Knopfdruck aus der Parklücke.

Autonomes Fahren bei Audi: Unser Fazit

„Retten, was zu retten ist”, das scheint die Devise von VW-Chef Oliver Blume zu sein, zumindest in Hinsicht auf die Bestrebungen zum Autonomen Fahren. Er steht vor einem Mammutprojekt: Die Ressourcen müssen neu verteilt werden, dabei will man aber möglichst wenig einfach verwerfen (siehe Artemis) und irgendwie muss man die Blutung der Wunde namens Cariad stillen, die Ex-Boss Diess gerissen hat. Blume rennt die Zeit davon.

Ob er wirklich am Ende des Jahrzehnts die Veröffentlichung der Software E3 2.0 als CEO miterleben kann, das ist heute noch nicht ganz klar. VW neigt in den letzten Jahren dazu, Führungspersonal ohne Resultate zur Verantwortung zu ziehen. Die Kooperation mit Mobileye könnte hier aber wahre Wunder wirken – je nachdem, wie bald der „Chauffeur" eingeführt werden kann.

Audi selbst zeigt sich selbstbewusst, man will sich wieder stärker auf den Wahlspruch „Vorsprung durch Technik” fokussieren und endlich die Produktpalette vollkommen auf E-Mobilität ausrichten. Auf Basis von E3 1.2 sind mehr als 20 neue Elektromodelle und ein paar Verbrenner geplant, den Anfang machen die vollelektrischen Modelle Audi Q6 e-tron und Audi A6 e-tron. Bis 2030 soll die Produktlinie dann auch wieder übersichtlicher und schlanker werden.

In Zukunft will man dann nur noch sogenannte „Software Defined Vehicles bauen”. Blöd nur, dass dafür die Software-Architektur stimmen muss. Während man sich von der Sinnkrise erholt, zieht ironischerweise die direkte Konkurrenz mit BMW und Mercedes beim Autonomen Fahren davon. So kann man „Vorsprung durch Technik” natürlich auch interpretieren.

Doch allein auf den Durchbruch beim Autonomen Fahren kommt es glücklicherweise nicht an. Der Kritik zum Trotz: Audi baut unglaublich schöne Autos, die durch Qualität bestechen. Wir sind nach wie vor von den Modellen überzeugt und führen selbst den Audi A1, den RS6 sowie den RSQ8 und den Audi R8 V10. Wollt ihr einen Audi mieten und euch selbst ein Bild von den Assistenzsystemen der vier Ringe machen, schaut gleich auf unserer Website vorbei.

CarVia Magazin

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